Zwischen Historie und Moderne – ein neuartiger Kampfstil

Aber, wenn ich doch mittelalterlichen Schwertkampf lernen will, was soll ich dann mit einem neuartigen Kampfstil?

Eine berechtigte Frage. Aber lassen Sie mich eine Gegenfrage stellen.

Wer weiß, wie Hermann der Cherusker den entscheidenden Streich geführt hat, um die Schlacht im Teuteburger Wald zu gewinnen? Wer hat gesehen, wie William der Eroberer seine Kampfkunst eingesetzt hat, um die Schlacht von Hastings 1066 für sich zu entscheiden? Und wer will wissen, nach welcher Schwertkampftradition Robert the Bruce die notwendigen Künste erlernt hat, um die Schlacht von Bannockbrun erfolgreich zu beenden?

Geschichtswissenschaftler und historische Experten streiten nicht umsonst über DIE mittelalterliche Kampfkunst und ihre Entwicklung. Die Überlieferungen und Berichterstattungen von Schlachten und Feldzügen, die Dokumente jener vergangenen Zeiten lassen viel Spielraum für Phantasie und Interpretation. Sicherlich: es gibt recht ausführliche und genaue Beschreibungen der Kampfkünste vergangener Zeiten. Talhoffer und Lichtenauer mögen da nur die berühmtesten Vertreter sein. Doch: Talhoffer wird auf 1459 datiert, Lichtenauer auf das späte 14. Jahrhundert… Auch wenn ich jetzt übertreiben mag: da war das Mittelalter schon fast vorbei! Nur wenig ist über die frühmittelalterlichen Kampfkünste überliefert. Es sind Vermutungen, die sich zwar aus archäologischen Funden, Malereien und Schlachtenbeschreibungen speisen, aber dennoch Vermutungen und Interpretationen bleiben.



Ich habe diese historischen Ansätze als Grundlage für den von mir entwickelten Kampfstil genutzt und schlicht meinem Körper vertraut, welcher bestimmte Bewegungsabläufe wie von selbst ausgeführt hat, bestimmte andere dagegen nur widerstrebend. Learning by doing – so sagt man. Und so habe auch ich ausprobiert, welche Bewegungsabläufe dem Körper leicht fallen und damit im Bewegungsablauf logisch erscheinen. Schaut man ein bisschen über den Tellerrand und beschäftigt sich ein wenig mit asiatischen Kampfsportarten, so stellt man fest, dass auch dort Bewegungsabläufe unterrichtet werden, die im natürlichen Fluss des Körpers liegen. Allein der gesunde Menschenverstand sagt, dass das bei einer europäischen Kampfkunst sicherlich nicht grundlegend anders gewesen sein kann.

In einem Punkt habe ich die historischen Kampfansätze aber deutlich verlassen: Früher ging es in der Kampfkunst darum, jemanden möglichst effektiv zu töten. Heute ist die mittelalterliche Kampfkunst eine Kampfsportart, die Spaß mit historischem Interesse vereint. Und insofern steht nicht die Fähigkeit zum Töten im Vordergrund, sondern im Gegenteil: die Sicherheit beim Training.

Die Entwicklung der A-Karte war da ein Schritt in die richtige Richtung. Doch mir geht die Festlegung von Trefferzonen nicht weit genug, um die Sicherheit beim Kampf mit Stahlschwertern zu gewährleisten. Wir kämpfen im 21. Jahrhundert und nicht um 1000 n.Chr. Wie bereits gesagt, es geht um eine Freizeitbeschäftigung, die Bewegung, Spaß und historische Interessen miteinander verknüpft. Wuchtiges Aufeinanderschlagen, selbst wenn gewisse Körperzonen tabu sind, kann zu gefährlichen Verletzungen führen! Und diese Verletzungen sind nicht etwa der Preis, den es zu zahlen gilt, will man das Mittelalter darstellen und mittelalterliche Kampfkünste betreiben… Diese Verletzungen sind nichts als Ergebnisse verfehlter und überheblicher Unterrichtssysteme.

Freier Kampf in Gewandung, freier Kampf ganz ohne Rüstung, mein Stil erlaubt sogar Körpertreffer – und all das nur mit minimalem Verletzungsrisiko. Das Unterrichtssystem legt besonderen Wert auf die Sicherheit der Kämpfer und setzt gleichzeitig auf eine umfassende Beherrschung der Waffe. Dazu sind nicht einmal ein langwieriges Training an Schrittübungen und stundenlange Wiederholungen notwendig, sondern nur eine theoretische Einführung, die vor allem eines zum Inhalt hat: die vielfach vernachlässigte Frage nach dem ‚Warum’. Warum ist es sinnvoll, die Waffe nicht mit voller Wucht auf den Gegner aufprallen zu lassen? Warum macht es Sinn, die Distanzverhältnisse zum Kampfpartner im Auge zu behalten?



Mein Stil erhebt nicht den Anspruch, historisch genau zu sein – was heißt auch schon historisch genau? Vielmehr ist er leicht zu erlernen, macht Spaß und gibt doch die Möglichkeit, all seine historischen Interessen und Vorstellungen auszuleben. Er ist ein neuer, anderer Weg zu einem altbekannten Ziel: Kämpfen zu lernen in einem mittelalterlichen Kampfstil! Und das unter dem Motto: die Kunst sich nicht gegenseitig zu erschlagen und es doch so aussehen zu lassen…